Die Vernunft-Ehe by Georgette Heyer
Autor:Georgette Heyer [Heyer, Georgette]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub, mobi
veröffentlicht: 2014-03-26T23:00:00+00:00
12
Etwa sechs Stunden später saß Horatia im Bett und nahm ihr Frühstück zu sich. Sie war zu jung, um durch ihr Abenteuer den Schlaf einzubüßen, aber sie hatte abscheulich geträumt und fühlte sich am Morgen nur wenig erfrischt.
Bei ihrer Flucht aus dem kleinen Spielsalon des Ranelagh hatte sie in ihrem Zorn den Verlust ihrer Maske übersehen. Und dann war sie geradewegs Lady Massey, die auch ohne Maske war, in die Arme gelaufen, und die beiden standen einander einen Augenblick gegenüber. Lady Massey lächelte in einer Weise, die Horatia das Blut in die Wangen trieb. Dabei sagte sie kein Wort. Horatia zog den Domino enger um sich und schlüpfte über die Terrasse und die Stufen hinunter zum Garten.
Eine Droschke brachte sie nach Hause. Als der Kutscher sie vor dem Tor absetzte, kroch schon kalt der Morgen heran. Sie hatte befürchtet, Rule wach und auf sie wartend vorzufinden; zu ihrer Beruhigung war er nirgends zu sehen. Sie schickte ihre Kammerjungfer zu Bett und war froh, allein zu sein, um über die verhängnisvollen Ereignisse der letzten Nacht nachzudenken. Als sie aber dann mühselig ihr Kleid ausgezogen und ihre Bettoilette gemacht hatte, war sie so müde, daß sie an nichts mehr denken konnte; kaum war die Kerze ausgeblasen, überfiel sie der Schlaf.
Sie wachte gegen neun Uhr auf und fragte sich einen Augenblick verwundert, weshalb sie so bedrückt war. Dann fiel es ihr ein, und ein kleiner Schauer durchfuhr sie.
Sie schwenkte ihr silbernes Glöckchen. Als die Zofe das Tablett mit der Schokolade und dem süßen Kuchen brachte, saß sie hoch aufgerichtet in ihren Kissen; die Locken, an denen noch etwas Puder haftete, fielen ungekämmt auf ihre Schultern, und ihre Stirne lag in Falten.
Während das Mädchen die umherliegenden Kleider und Schmuckstücke aufsammelte, nippte sie an ihrer Schokolade und grübelte über ihr Problem. Was vor zwölf Stunden wie ein bloßer Streich aussah, hatte jetzt ein riesiges Ausmaß angenommen. Vorerst war da die Episode mit der Haarlocke. Im gesunden Tageslicht schien es unfaßbar, daß sie einwilligen konnte, um einen solchen Einsatz zu spielen. Es war – ja, wozu sollte sie sich etwas vormachen? –, es war ordinär, ein anderes Wort gab es dafür nicht. Vor jenem Kuß vertraute sie auf Lethbridges Verschwiegenheit, jetzt erschien er ihr wie ein Ungeheuer: Vielleicht würde er sich sogar damit rühmen, die Locke ihr abgewonnen zu haben. Und wer weiß, was er jetzt damit vorhatte? Was den Kuß betraf, hatte sie sich das wohl selbst zuzuschreiben – ein Gedanke, der wenig tröstlich erschien. Das Schlimmste jedoch war die Begegnung mit Caroline Massey. Hatte die etwas gesehen – und Horatia zweifelte nicht daran –, dann wußte morgen die ganze Stadt davon. Und Rule hörte auf die Massey! Eines war sicher: Sogar wenn die Massey anderen gegenüber den Mund hielte, ihm würde sie es bestimmt erzählen, nur zu froh über die Gelegenheit, zwischen ihm und seiner Frau Unheil zu stiften.
Plötzlich schob Horatia das Tablett von sich. »Ich w-werde jetzt aufstehen«, sagte sie.
»Sehr wohl, Mylady. Welches Kleid wollen Ihre Ladyschaft anziehen?«
»Einerlei«, antwortete Horatia kurz.
Eine Stunde später
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